Baugeschichte und Baubeschreibung

Bei dem Haus in der Pfandhausstraße 2 handelt es sich um ein Renaissance-Stadthaus aus dem Jahr 1545 und damit um eines der ältesten Fachwerkhäuser Fuldas. Es fand eine qualifizierte bauhistorische Untersuchung durch das Freie Institut für Bauforschung und Dokumentation e.V. aus Marburg statt (diese liegt dem Landesamt bereits vor), die zusammengefasst folgende grundlegende Befunde und Erkenntnisse enthält:

Das untersuchte Gebäude Pfandhausstraße 2 liegt in einer Gasse direkt an der früheren Hauptstraße Fuldas, der heutigen Friedrichstraße und besetzt eine zur Straßenflucht hin konvex ausschwingende und nach Westen hin spitz zulaufende Bauparzelle. Als eines der letzten Gebäude zeigt es die Proportionen der Bebauung der frühen Neuzeit in Fulda und es folgt als letztes Gebäude in diesem Bereich der Pfandhausstraße der ursprünglichen Straßenflucht durch seine zweifach abgewinkelte Fassade. Trotz der datierten Bauzeit handelt es sich in Art und Ausführung um ein typisch mittelalterliches Stadthaus.

Aufgrund der Angaben im Mess- und Lagebuch der „Hochfürstlichen Residenz-Stadt Fulda“ vom Jahre 1727 kann das Gebäude Pfandhausstraße 2 eindeutig lokalisiert und die Eigentümergeschichte zugeordnet werden. Die ersten nachweisbaren Besitzer des Hauses sind 1708 Ludwig Fasterts (Türmer der Stadt Fulda) und 1740 Johann Michel Fehlings (Silberdiener). Es folgten weitere bürgerliche Besitzer bis das Haus „Domus emeritorum sacerdotum“, also Altersitz für im Ruhestand befindliche Priester wird. Ab 1826 geht es dann wieder in bürgerlichen Besitz über und wird in Folge ein Hutladen, ein Badehaus, ein Farbengeschäft und ein Blumenladen. Die oberen Stockwerke werden fast durchgehend von zwei Parteien bewohnt.

Die Erbauungszeit des Kellers, des Erdgeschosses und des 1. Obergeschosses kann aufgrund dendrochronologischer Untersuchungen und Schlussfolgerungen aus der Bautechnik auf das Jahr 1545 datiert werden. Es sind sowohl Mauerwerk als auch Fachwerkhölzer aus dieser Zeit in situ aufzufinden. Eine zweite Bauphase ist im Jahr 1593 nachweislich, sowohl über Untersuchungen, als auch über eine Inschrift eines Sandsteinfenstergewändes. Darüber hinaus ist eine starke bauliche Veränderung Ende des 18. Jahrhunderts nachweislich, in der vor allem die Fassade den Vorstellungen des Barock angepasst wurde. Weitere Eingriffe folgten im 19. und 20. Jahrhundert, vor allem im Erdgeschoss, welches als Ladengeschäft genutzt wurde.

Die Substanz war stark geschädigt, eine wirtschaftliche Einzelnutzung des Gebäudes war aufgrund der kleinen Grundfläche und des besonderen geometrischen Zuschnitts im Bestand deshalb nicht möglich. Daher wurde eine Nutzung als Büro und Werkstatt in Verbindung mit dem Juweliergeschäft im nebenstehenden Gebäude Friedrichstraße 1 geplant.

 

Sanierungskonzept

Die Bauaufgabe sah die Umwandlung eines vormals hauptsächlich für Wohnzwecke genutzten und zuletzt viele Jahrzehnte leerstehenden Gebäudes zu einem Geschäftsgebäude mit Büronutzung vor. Initialzündung war die Überlegung, das Gebäude in Verbindung mit dem Nachbargebäude, welches sich im gleichen Besitz befindet, zu nutzen. Hierzu konnte ein bestehender historischer Übergang reaktiviert und als zweiter Rettungsweg ausgebaut werden, da sich die Fenster aufgrund der geringen Größe nicht zur Rettung eignen.

Die Nutzungsumwandlung erfolgte mit dem Ziel, die aufgefundene Substanz unter größtmöglicher Schonung in einen schadensfreien Zustand zu versetzen. Dabei mussten nicht zuletzt Anforderungen von Arbeitsstättenrichtlinien und Brandschutz baulich nachgewiesen werden. In Anbetracht der massiven Schädigung der Bausubstanz waren zudem mehr als nur Oberflächenauffrischungen notwendig. Fehlstellungen von tragenden Bauteilen führten im Laufe von 470 Jahren zu immensen statischen Problemen, sodass unter anderem Wände abgebrochen und neu errichtet werden mussten. Die neu zu errichtenden Wände wurden in Holzständerbauweise mit zimmermannsmäßigen Verbindungen erstellt und mit Lehmsteinen ausgefacht.

Aufgrund der verheerenden statischen Situation der Dachkonstruktion (Bild 7 + 8) und der Deckenbalken ergab sich die Möglichkeit, sowohl etwas für die Statik des Hauses, als auch für die Nutzbarkeit des 2.OG zu tun. Dieses Geschoss bot mit einer Raumhöhe um die 1,70 m eine für Gewerbezwecke unzureichende Voraussetzung. Unter Aufsicht der Unteren Denkmalschutzbehörde wurde der Dachstuhl abgebrochen und die Deckenbalkenlage über dem 2.OG als Brettsperrholzdecke neu errichtet. Der neu errichtete Dachstuhl wurde der Bestandsgeometrie nachempfunden, sodass sich nach dem Umbau Dachneigung, Firsthöhe und auch rückwärtige Geometrie wie vorgefunden präsentierten.

Beim Innenausbau konnte substanzschonend vorgegangen werden. Ziel dabei war es, die Verformungen, welche charakteristisch für dieses Haus sind, sichtbar zu machen.

Um den Anforderungen an ein Bürogebäude gerecht zu werden, war es notwendig, die Böden zu begradigen. So wurden zuerst viele der Deckenausfachungen neu hergestellt, da gut die Hälfte der Balken durch Wurmbefall nicht mehr tragfähig waren. Anschließend wurden Aufständerungen über den Deckenbalken vorgenommen und Dielen mit einer Breite von 30 cm montiert. Die Breite ist den historischen, stark verformten und ausgetretenen Bestandsdielen entnommen.

Im EG konnten die gebrochenen Deckenbalken mit einer Stützkonstruktion aus Stahl abgefangen werden und mussten nicht ausgebaut werden.

Die Abwägung zwischen dem Neueinbau eines Balkens und dem Einbringen einer Abfangkonstruktion folgte stets unter der Prämisse, so viele Deckenausfachungen wie möglich zu erhalten. Hierzu wurden meistens zweimal pro Woche Ortstermine mit der unteren Deckmalschutzbehörde abgehalten und jeder Balken und jedes Gefache begutachtet.

Beim Umbau wurden verschiedenste Steinspolien (vermutlich Fenstereinfassungen – Bild 6/18/20) gefunden. Diese waren mit bis zu 12cm Zentimeter Lehmputz überdeckt und wurden freigelegt. Anschließend wurden die Spolien der Wand entnommen und die brüchige Wand neu aufgemauert, um die Brandschutzanforderungen F30 zu gewährleisten: Die Spolien wurden gereinigt, repariert und anschließend an ihre angestammten Positionen eingesetzt.

Der für dieses Haus typische offene Rauchabzug (Räucherkammer – Bild 13/14/16), verborgen durch nachträgliche Kammereinbauten, wurde freigelegt und durch das Überdecken mit einem Glasboden in seiner vollen Größe erlebbar gemacht.

Bestandstüren, welche aufgearbeitet werden konnten, wurden gehalten (Bild 18). Türen, welche die Brandschutzanforderungen nicht einhalten konnten, wurden entfernt und dem historischen Vorbild nachempfunden. Gleiches gilt auch für die Fenster, welche nun zusätzlich den aktuellen Anforderungen an den Wärmeschutz entsprechen.

Die Treppe inklusive dem Biedermeiergeländer wurde aufgearbeitet, repariert und ergänzt.

Die Farbschichten der Fassade wurden durch eine Restauratorin untersucht und die Wandfläche mit dem zuletzt vorgefunden abgetönten Weiß gestrichen.

Gefache mit Bemalungen wurden vorsichtig geborgen und werden zurzeit noch von der Restauratorin aufgearbeitet. Ein bauzeitlich Renaissance-Tür konnte geborgen und im Treppenhaus zur Erhaltung ohne Funktion eingebaut werden.

Fazit: Neu errichtete Bauteile wurden in Anlehnung an die historische Bauweise errichtet, unter Einsatz von ökologischen und denkmalgerechten Baustoffen. Gleiches gilt für Auffrischungen von Oberflächen. Gefundene Spolien wurden geborgen, zum Teil repariert und wieder eingesetzt.

 

Stellungnahme des Bauherrn

Das denkmalgerecht sanierte Haus in der Pfandhausstraße 2 in Fulda liegt in direkter Nachbarschaft zu einem Eckhaus, das in bester Einkaufslage zur Friedrichstraße durch ein Juweliergeschäft mit Werkstätten und Büroräumen genutzt wird. Als Inhaberfamilie dieser Häuserzeile wollten wir gerne die Fläche des baufälligen Hauses für unser Einzelhandelsunternehmen nutzbar machen. Wir waren sehr offen in unserer Herangehensweise, denn wir wussten, dass wir sowohl bei einem Neubau als auch bei einer Renovierung zahlreiche Hürden überwinden müssten.  Durch die Untersuchung der Bausubstanz und denkmalrelevanter Besonderheiten erfuhren wir, dass das Haus in zwei Abschnitten in der Renaissance gebaut worden war. Dank seiner versteckten Lage, dem schwierigen Grundriss und dem meist desolaten Zustand des Hauses entging es viele Jahrhunderte sowohl dem Abriss als auch einer grundlegenden Erneuerung.

Mit dem Wissen um die fast 500-jährige Geschichte des Hauses fiel es uns schwer, einen Abriss in Betracht zu ziehen, auch wenn eine Sanierung deutlich teurer kommen würde. Neben dem finanziellen Aufwand galt es, eine sinnvolle Nutzung der Räume zu ermöglichen. Die geringe Deckenhöhe, die enge, verwinkelte Treppe und die kleinen, schrägen Räume boten schwierige Bedingungen für eine Büro-Nutzung, von Schaufensterflächen und repräsentativen Flächen ganz abgesehen. Unsere Architekten Sturm und Wartzeck fanden die Lösung: Durch Verbindungstüren erreichten wir eine gemeinsame Nutzung der Räume in der Friedrich- und der Pfandhausstraße. Nachträglich erwies sich diese Idee als goldrichtig, denn viele auftretende Probleme konnten durch das Ensemble-Konzept gelöst werden. Allem voran stimmte der Denkmalschutz den Plänen zu und eine plausible Kostenschätzung konnte aufgesetzt und die Förderzusagen eingeholt werden.

Unsere vorrangigen Ziele bei der Sanierung waren:

  1. Möglichst viel so zu erhalten wie es war und natürliche Materialien zu verwenden.
  2. Das Haus in einen stabilen Zustand zu versetzen, der es mindestens über die nächsten 200 Jahre bringt.
  3. Den optischen Eindruck zu erhalten und die notwendige Technik unsichtbar einzubauen.

Auch wenn die Kostenschätzung deutlich überschritten wurde, sind wir mit dem Ergebnis des gewaltigen Aufwands für das kleine Häuschen sehr zufrieden. Wir durften feststellen, dass viel mehr Menschen als gedacht mit der Pfandhausstraße 2 persönlich verbunden sind und auch die Freude der Fuldaer über die Sanierung hätten wir so nicht eingeschätzt. Zahlreiche Gespräche vor dem Haus oder bei uns im Geschäft haben uns immer wieder motiviert weiterzumachen.

Geht man heute durch die Räume und fährt mit der Hand über die alten Steine und Holzbalken mit Segenszeichen und Spuren vergangener Zeiten, überwiegt die Freude über das Bewahren eines Hauses mit einer lebendigen Geschichte. Da einer der ersten nachweisbaren Bewohner der Pfandhausstraße 2 im 16. Jahrhundert ein Silberdiener war, tauften wir es „Silberdiener-Haus“ – und wenn unsere Goldschmiede die Werktische beziehen, schließt sich der Kreis.

Da Fulda eine touristisch reizvolle Stadt ist, finden viele Stadtführungen rund um das sanierte Haus statt. Fünfzehn Fremdenführer der Touristeninformation Fulda haben sich bei einer Führung durch die renovierten Räume ein Bild machen können und über die Geschichte des Hauses informiert. In ihren Führungen machen Sie ein weiteres Stück Fulda für die Besucher der Barockstadt erlebbar.